Logo Stadt WND kurven 1

1831 "Mordanschlag" auf Luises Ehemann

Graf Maximilian von Pölzig und Beiersdorf (1804 - 1888) war der zweite Ehemann von Herzogin Luise von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1800 - 1831).

Die Herzogin lebte seit der Trennung von ihrem ersten Mann, Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha (1784 - 1844) mit einer kleinen Dienerschaft in St. Wendel. Nach der Scheidung des Herzogpaares im März 1826 heiratete Luise am 16. Oktober des gleichen Jahres in St. Wendel Maximilian von Pölzig und Beiersdorf.

Beide wurden wegen ihrer Volksnähe und ihres sozialen Engagements, vor allem für die Unterstützung armer Kinder, von der St. Wendeler Bevölkerung sehr verehrt.

Zu Beginn des Jahres 1831 wurde bekannt, dass die Herzogin und ihr Mann St. Wendel verlassen wollten. Eine Vielzahl von Bittbriefen belegt, dass die St. Wendeler Bürger alles daran setzten, die Abreise zu verhindern.

Vor diesem Hintergrund entstand das Gerücht, Fremde, nicht näher bezeichnete Männer, hätten einen Anschlag auf Maximilian von Pölzig und Beiersdorf geplant.

Es folgt zunächst die Aussage von Pölzigs Diener Reeg, dann der Bericht des lichtenbergischen Regierungspräsidenten Brückner, beide aus:

Staatsarchiv Coburg, Min R 17

[fol. 1] 
Pelzig ist mit seiner Gemahlin nach Paris; er ließ vorher seine Meubles, auch Weißzeug und eine Menge Gerümpel versteigern. Er will nicht mehr wiederkommen, u[nd] sich ein anderes Domicilium wählen. Seine Leute wohnen in St. Wendel in Privathäuser, und stehen fort in seinem Dienst. Unserm Zureden, wieder zu kommen, leistete er sichtbares Gehör, sowie auch einer Deputation des Stadtraths und einer Zweiten der Bürgerschaft keine bestimte günstige Antwort ertheilt ward. Sie sehen sich zu wenig von Oben berücksichtiget u[nd] besonders wegen dem Hausbau obicanirt[?]. St. Wendel hat ihm einen Platz zum Bau eines eigenen Hauses gratis angeboten, auch die Beyfahrten versprochen. Die beiden Leute sind in der ganzen Gegend so geschätzt, – geliebt, daß ihre Versteigerung schon Trauer erregte, u[nd] wenn sie, was ich jedoch nicht glaube, wirklich St. Wendel auf immer verlassen wollen, so würden sie an sich, und den Bewohnern der Gegend eine Sünde begehen, und schwerlich wieder gleiche Verhältnisse finden. Was man gegen Pelzig für einen höllischen Anschlag veranstaltet hat, werden Sie vielleicht schon erfahren haben, nemlich das dämonische Attendat ihn aus dem Wege zu schaffen. Es war am 8ten febr[uar] d.[es] Morg.[ens] wo die Frau des verstorb. Manuis zu Pelzig kam, u[nd] ihm sagte, sie halte es für Pflicht ihm mitzutheilen, was ihr gestern Abend vorgekommen sey. Es seyen ihr nemlich gegen 9 Uhr Zwey in Mäntel gehüllte Männer auf der Straße begegnet, die sie anredeten u[nd] befragten – ob 
[fol. 1']
ob Graf Pelzig viel ausgehe? Ob er auch Abends ausgehe? Wann? Wohin? u[nd] welchen Weg er nähme? Spricht man hier Französisch? – Sie habe durch diese sonderbare Ausforschung Böses geahndet, und daher bey Letzterer Frage geantwortet, es seye Niemand hier der diese Sprache verstände. /: Sie selbst spricht französisch :/ wahrscheinlich aber doch Mehrere unter den Angestellten. Darauf hätten sie französ. mit einander gemurmelt, so daß sie nur einzelne Worte verstanden, die sie in der Vermuthung boßhafter Absichten, bestärkt hätten. Ihr deutscher Dialect seye nicht der des hies. Landes, sondern so wie Hr. Stephan spräche – also Sachsen die dazu hieher gekommen sind. Pelzig nahm Wangenheim und mich gleich auf Seite und theilte uns die Nachricht mit, begleitet von so wahrscheinlichen Erklärungen darüber, daß ein Mordanschlag nicht mehr zu bezweifeln war.
Unter dem Siegel der Verschwiegenheit wurde Gr. Solms davon benachrichtiget, um die Gendarmerie mit Anfang der Nacht patrouilliren zu laßen, ein Gleiches that ich bey Conrad, u[nd] so wurde jeden Abend bis 12 Uhr alles ausgespähet, aber nichts erwischt.
Wäre die Frau gleich auf der Stelle, den nemlichen Abend gekommen, so würden diese Gesandten der Hölle nicht entgangen seyn. Die Pursche waren Montags Abends da, und Dienstag Abend kam ein 
[fol. 2]
Briefchen von Paris an Pelzig, wodurch er von einem höllischen Anschlag auf sein Leben benachichtiget, u[nd] ihm gerathen wurde, je eher je besser die Grenze zu verlassen. Er ist nun fort, und was es in Paris geben wird, dafür bangt mir. Pelzig ist nach Bezeichnung der Größe[?], in den Namen dieser gedungenen Lazaronir nicht mehr ungewiß. – So Etwas in Deutschland veranstaltet zu sehen, ist unerhört. Nur eine Furie der Hölle ist zu so was fähig – Wären sie erwischt worden, es würde ihnen schlechter ergangen seyn, als den französ. Exministern. Zur Kenntniß des Volks in St. Wendel gekommen wären sie in Stücke zerrißen worden.

22. febr. 1831

Reeg


Bericht des lichtenbergischen Regierungspräsidenten zu St. Wendel

St. Wendel, am 30. April 1831.
Der Regierungs-Praesident zu St. Wendel erstattet den ihm abgeforderten Bericht, wegen des gegen den Herrn Grafen zu Pölzig im Monathe Februar d. J. angeblich statt gefundenen Mord-Anschlags.
Sogleich nach Empfang des unterm 15. d. M. an mich erlassenen Rescripts habe ich die wahre Bewandniß des verbreiteten Gerüchts, daß gegen das Leben des Herrn Grafen von Pölzig im Monathe Februar d. J. ein Mordanschlag statt gefunden habe, durch Vernehmung der um diese Angelegenheit Wissenschaft habenden Personen zu erforschen gesucht und es haben sich aus diesen Vernehmungen, nach mehrerm Inhalte der anliegenden Ackten, folgende Umstände ergeben.
Die in den Diensten des vormaligen hiesigen Advocaten jetzt katholischen Pfarrers Rosenbaum gewesene Rosine Schenck /: nicht die Wittwe Manouisse :/ deponirt über die Sache folgendes:
In der Woche vom 30. Jan. bis 5. Febr. d. J., eines bestimmten Tages könne sie sich nicht mehr erinnern, sei sie Abends ein Viertel auf sieben Uhr, in der Dämmerung, an der südlichen Seite
[fol. 5']
der hiesigen Stadt weggegangen, um aus der in der Schloßgasse befindlichen Apotheke Arznei zu hohlen.
Als sie bis zu dem von dem Regierungs-Secretair Friedrich am Wege liegenden Garten gekommen, habe sie zwei Gestalten wahrgenommen, welche querfeldein, von den in jener Gegend befindlichen Wiesen aus, nach dem Fußpfade zugegangen wären und ihr als sie auf den letztern gekommen einen guten Abend gebothen, den sie erwidert habe. Es hat sich hierauf zwischen den beiden unbekannten Personen und der Schenck dasjenige Gespräch entsponnen, was aus dem, über deren Vernehmung abgehaltenen Protokolle des Mehrern zu entnehmen sein wird. Als die Schenck von den unbekannten Personen verlassen worden, haben letztere den Weg durch die Pappel-Allee nach dem Herrschaftl. Gartenhause zu eingeschlagen und sie hat von demselben weiter nichts wahrgenommen. Auf dem Nachhauseweg hat ihr der von Pölzig. Bediente Nahmens Reeg begegnet, welchem sie dasjenige, was sie von den unbekannten Personen gehört und gesehen haben will, erzählt hat.
Der Bediente Reeg hat seiner herrschaft
[fol. 6]
von der Erzählung der Schenck keine Nachricht ertheilt, theils weil er die ganze Schenckis. Aussage für zu unbestimmt und mährchenhaft gehalten theils weil er seine herrschaft durch ein solches unverbürgtes Gerücht nicht in Furcht und Schrecken habe setzen wollen. Er versichert übrigens, daß er bei seiner Ankunft in der Pölzig. Wohnung sofort darüber: ob fremde Personen zu seiner herrschaft gegangen, genaue Erkundigung eingezogen auch bis zu der Zeit, wo der Herr Graf von Pölzig den Vorfall von der Schenck selbst erfahren, darauf sorgsam Bedacht genommen habe, daß unbekannten Fremden der Eintritt in das Hauß nicht gestattet worden.
In der Woche nach dem erwähnten Vorgange, in welcher in der von Pölzig. Wohnung eine Mobilien-Versteigerung gehalten worden ist, und die Schenck sich daselbst anwesend befunden hat, will dieselbe von dem Grafen von Pölzig in französischer Sprache angeredet worden sein und diese Gelegenheit benutzt haben, um ihm den Vorfall mit den unbekannten Personen zur Warnung mitzutheilen.
Der Graf von Pölzig hat hierauf das, was er von der Schenck erfahren gehabt,
[fol. 6']
dem dabei anwesend gewesenen Cammerjunker und Regierungs-Referendair von Wangenheim mitgetheilt, beide haben den Regierungsrath und Gendarmerie Commandanten Grafen zu Solms unter Anempfehlung der größten Verschwiegenheit, von dem Vorgange in Kenntniß gesetzt und denselben ersucht, durch die unter seinem Commando stehenden Gendarmen zur Sicherheit des Grafen von Pölzig des Nachts patroulliren zu lassen und zur Entdeckung der unbekannten Personen mitzuwirken.
Der Graf zu Solms hat hierauf, in Gemäsheit des an ihn ergangenen Ersuchen, die nöthigen Befehle an die hiesigen Gendarmen ertheilt, es ist jedoch von denselben nichts in Erfahrung gebracht oder entdeckt worden, was auf die unbekannten Personen oder deren gehabte Absicht bezogen werden können. Von der Sache selbst hat der Graf zu Solms der Herzogl. Regierung Nachricht zu ertheilen, Bedenken gefunden, weil ihm von dem Grafen von Pölzig in dieser Beziehung das tiefste Stillschweigen anempfohlen worden ist.
Der Cammerjunker und Regierungs Referendair von Wangenheim hat bei seiner Vernehmung angegeben, daß
[fol. 7]
er dasjenige, was der Graf von Pölzig von der Rosine Schenck erfahren, von ersteren mitgetheilt erhalten und daß er mitdenselben gemeinschaftl. zu dem Grafen zu Solms gegangen sei, um denselben um das Patroulliren von Seiten der Gendarmerie zu ersuchen. Er hat indessen ganz in Abrede gestellt, daß ihm von dem Herrn Grafen von Pölzig Eröffnungen gemacht worden wären, die einen Mordanschlag vermuthen lassen.
Dem Kirchen und Schulen-Inspector Hepp zu Pfeffelbach, welcher bei der Versteigerung der von Pölzigh. Mobilien allhier anwesend war, hat der Graf von Pölzig von dem Vorgange welcher von der Rosine Schenck erzählt worden, an demselben Abende noch Mittheilung gemacht, allein p Hepp will ebenfalls von dem Grafen von Pölzig Erklärungen nicht empfangen haben, die auf einen gegen den Grafen von Pölzig beabsichtigten Mordanschlag hingedeutet haben könnten.
Der p Hepp hat indessen an jenem Abende, wo er den Vorfall von Pölzig erfahren, dem Oberbürgermeister Conrad von der Gefahr, welche dem erstern zu drohen scheine, unter Anempfehlung des größten Stillschweigens, Nachricht
[fol. 7']
ertheilt und Conrad um Verdoppelung der bürgerlichen Nachtwache und strenges Patroulliren ersucht, welche Maasregel von Conrad auch ins Werk gesetzt worden, ohne daß daraus ein Erfolg hervorgegangen ist
Dieses sind diejenigen Thatsachen, welche ich in Rücksicht eines vermeintlich beabsichtigten Mordanschlags auf den Grafen von Pölzig, durch Vernehmung der davon Wissenschaft habenden Personen habe ausmitteln können.
Den Mitgliedern der Herzogl. Regierung /: außer dem Grafen zu Solms :/ und mir ist indessen von diesem Vorfall eher keine Kenntniß zugekommen, als bis der Graf von Pölzig bereits von hier nach Paris abgereist war.
Wenige Tage nach Pölzigs Abreise verlautete in den hiesigen Damens Gesellschaften, daß der Graf von Pölzig aus der hiesigen Stadt habe abreisen müssen, weil ihm Gefahr gedroht habe. Die eigentliche drohende Veranlassung zu seiner Abreise kam nicht zur Sprache und da ich von den Gesprächen in den Damenszirkeln ebenfalls zufällig unterrichtet wurde; so wendete ich mich an den p von Wangenheim um das Nähere von ihm zu erfahren, indem
[fol. 8]
ich ihm zugleich eröffnete: daß ich die ausgebreitete Sage für ein Mährchen halten müsse. Wangenheim antwortete mir hierauf, daß er meiner Meinung nicht sein könne, mir aber die Bewandniß der Sache vielleicht erst in der Zukunft mitzutheilen im Stande sei. Später habe ich die von der Rosine Schenck gemachte Erzählung stückweise erfahren, meine Meinung indessen, daß eine wirkliche Gefahr für das Leben des Grafen von Pölzig [nicht?] vorhanden gewesen sei, nicht ändern können. Die Rosine Schenck stehet nemlich als eine höchst intriguante, der Wahrheit eben nicht sehr ergebene Person in dem zweideutigsten Rufe und es ist ihr wohl zuzutrauen, daß sie die ganze von ihr erzählte Geschichte erdacht hat, um von dem Grafen von Pölzig eine Belohnung zu erhalten oder ihm und seinen Leuten ein Mährchen aufzuheften. Wenn indessen die Umstände, welche von der Schenck erzählt worden, sich wirklich wahr verhalten; so muss noch mehr bezweifelt werden, ob die unbekannten Personen einen Mordanschlag auf den Grafen von Pölzig beabsichtigten, denn sie würden ihre Absicht den Grafen von Pölzig zu gefährden, einer
[fol. 8']
ihnen ganz unbekannten Person nicht zu erkennen gegeben und es nicht bei diesen bloßen Reden haben bewenden lassen, sondern auf andere Art und Weise thätig vorgeschritten sein, von welchen Maasregeln sich auch nicht die mindeste Spur zutage gelegt hat.
Daß unter den vorliegenden Umständen von einer anzustellenden amtlichen Untersuchung nicht die Rede sein können und dermalen nicht sein kann, liegt klar vor Augen.
In tiefster Ehrfurcht verharrend
Ew: Herzogl: Durchlaucht.
unterthänigst treu gehorsamster
Georg Wilhelm Carl Brückner

[Linke Spalte fol. 5]
10/5 31.


Rescrib: dem Präsidenten der herzogl. Regierung zu St. Wendel, v. r. a. da aus den angestellten Vernehmungen sich ergeben, daß der angeblich gegen den Grafen von Pölzig beabsichtigt gewesene Mord Anschlag als eine Erdichtung, oder Täuschung einer überhaupt unzuverlässigen und in nachtheiligem Rufe stehenden Weibs Person zu betrachten sey so sey zwar für eine weitere Fortsetzung der eingeleiteten Untersuchung kein Resultat zu hoffen; indessen habe das Präsidium von den bisherigen Ergebnissen den Grafen von Pölzig ausreichend in Kenntniß zu setzen und demselben zu überlassen, ob er auf eine Fortsetzung der Untersuchung auf gerichtlichem Wege antragen, oder die Sache auf sich beruhen lassen wolle.
Uebrigens habe das Präsidium den Cammerjunker von Wangenheim aufzufordern, nähere Auskunft <s>zu geben</s> über seine befremdende Äußerung zu geben:
" daß er diese Sache nicht für ein Mährchen halten
" könne, aber die Bewandniß der Sache vielleicht
" erst in der Zukunft mitzutheilen im Stande sey
und das Ergebniß berichtlich anzuzeigen.

crossmenu